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Freitag, 29. März 2024
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CO2 zunächst nur für E- und S-Klasse / Feuerlöschsystem zur Risikominimierung

Mercedes: Kältemittel-Umstellung auf CO2 nur teilweise

Nach längerer Funkstille kommt endlich wieder Bewegung in das Thema Kältemittel für Auto-Klimaanlagen. Mercedes hat eine neues CO2-basiertes System entwickelt, das 2017 in Serie geht. Gleichzeitig setzt der Konzern nun doch auch auf das umstrittene R1234yf, dessen "Killer"-Potential eine Feuerlöschanlage minimieren soll.
Mercedes: Kältemittel-Umstellung auf CO2 nur teilweise
Daimler
Ab 2017 rüstet Mercedes zunächst E- und
S-Klasse mit einer CO2-basierten Klimaanlage aus
R134a ist ein viele Jahre lang zum Einsatz gekommenes Kältemittel, das sicher und günstig ist, anlagenseitig nicht anspruchsvoll und bewährt - aber auch sehr klimaschädlich, wenn es entweicht. Deshalb ist es in neuen Autos nicht mehr erlaubt. Die Branche wollte deswegen auf den Ersatzstoff R1234yf eines US-amerikanischen Industriekonsortiums setzen, der klimafreundlicher, jedoch wegen seiner Brennbarkeit und dabei entstehender hochgiftiger Dämpfe (Flusssäure) in die Kritik geraten war.

Das Thema hat die Branche lange beschäftigt, weil das Risikopotential von R1234yf umstritten ist, die PR des Herstellers jedoch wirksam, die Zusagen des Verbands der Automobilindustrie zum Einsatz harmloser Klimaanlagen auf CO2-Basis nicht verlässlich - und die juristischen Tricksereien der Hersteller, um neue Autos doch noch mit dem alten Mittel befüllen zu können, grandios.

Lange sah es also so aus, als würde R1234yf zum Standard werden. Es ist inzwischen auch in etlichen Modellen an Bord, und weil das Thema kaum noch in den Medien ist, werden noch die wenigsten Autokäufer das Risiko in ihre Entscheidung miteinbeziehen. Auch Mercedes hatte sich zunächst zu R1234yf bekannt, dann aber eine überraschende Kehrtwende gemacht, weil bei internen Tests offenbar geworden war, dass dieses Risiko nicht nur von branchenfeindlichen Umweltverbänden beschwört wird, sondern tatsächlich vorhanden ist.

Das war vor gut drei Jahren, und damals hatte Daimler nicht nur einige wenige Autos mit R1234yf zurückgerufen, sondern auch erklärt, weiter das alte Mittel nutzen zu wollen. Offenbar vertraute man zunächst darauf, genügend Druck für eine Gesetzesänderung aufbauen zu können. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch. In der Folge plante der Konzern abermals um und entschied sich für Kohlendioxid (CO2) als Kältemittel. Dieses natürliche Gas, das man als Abgas lieber nicht haben möchte, hat als Kältemittel abgesehen von einem notwendigen höheren Betriebsdruck (100 bar statt zehn bar) und damit höheren Anlagekosten nur Vorteile: es ist sicher, geruchlos, günstig, effektiv, klimaneutral.

Die Entwicklung ist nun offenbar weitestgehend abgeschlossen. Mercedes erklärte heute in Stuttgart, man habe hier die Vorreiterrolle übernommen und als erster Automobilhersteller nicht nur Entwicklungs-, sondern auch Produktionsaufträge erteilt. Der Autobauer kündigte an, CO2-basierte Klimaanlagen ab 2017 in E- und S-Klasse anzubieten, in ersterer damit nicht ab dem Generationswechsel im kommenden Jahr. "Dank ihrer besonders schnell verfügbaren und hohen Kälteleistung sorgen CO2-Klimaanlagen selbst bei sehr heißen Außentemperaturen in kurzer Zeit für ein angenehmes Wohlfühlklima im Fahrzeuginnenraum", heißt es in einer Mitteilung. Kombiniert mit ihrer hohen Umweltverträglichkeit mache sie das zur "nachhaltigen Premiumlösung unter den Klimasystemen".

Alle Mercedes also demnächst mit einer Klimaanlage, die sicher und zugleich umweltfreundlich ist? Nein. Ein flottenweiter Einsatz zum 1. Januar 2017 sei nicht darstellbar, heißt es lapidar. Daher werde man vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung nun doch auf R1234yf setzen. Um die Kunden zu beruhigen, will Mercedes insoweit intensive Untersuchungen an all seinen Fahrzeugmodellen durchgeführt und ein "umfassendes Paket an fahrzeugspezifischen Maßnahmen" entwickelt haben, um der Gefahr Herr zu werden.

Dazu gehört zum Beispiel auch eine speziell entwickelte Schutzeinrichtung, die je nach Fahrzeugkonfiguration verwendet wird. Im Fall eines schweren Frontalaufpralls sorge das inzwischen zum Patent angemeldete System dafür, dass das entstehende Kältemittel-/Luftgemisch im Motorraum von den heißen Motor-Teilen separiert werde und diese zudem sehr wirksam gekühlt würden, heißt es. Ermöglicht wird dies durch einen Gasgenerator, der Argonschutzgas gezielt an den entsprechenden Heißstellen freisetzt und so einer Entflammung entgegen wirkt. Klingt pfiffig, aber auch merkwürdig: Warum wurde der Test- und Entwicklungsaufwand für eine Übergangsphase nicht gleich in die baureihenübergreifende CO2-Einführung investiert?
text  Hanno S. Ritter
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