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Freitag, 29. März 2024
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Unterwegs im LJ, SJ, Jimny, Swift und Vitara

35 Jahre Suzuki in Deutschland: Eine Ausfahrt

Seit 35 Jahren ist Suzuki in Deutschland aktiv. Neben einigen Langweilern waren auch einige interessante Autos dabei, die jetzt noch einmal zur Ausfahrt einluden. Aktuell ist die kleine Marke auf Wachstumskurs, 2016 sollen zwei neue Modelle diese Tendenz stützen.
Autokiste
Mit dem LJ startete Suzuki
vor 35 Jahren auf dem deutschen Automarkt
Es ist eine ganz besondere Autokiste, in die man eigentlich nicht freiwillig einsteigt: Alt, muffig, null Airbags, nicht mal ABS, dazu manuelle Fenster, viel Lärm, Wertigkeit gleich null. Es ist aber auch eine ganz besondere Autokiste, aus der man nach zwei Stunden gar nicht so gerne aussteigt: Ein Charaktertyp in gutem Zustand, der an diesem lauen Frühlingstag wunderbar viel frische Luft reinlässt, bei dem man sogar die Frontscheibe nach vorne abklappen kann, der noch nicht mal auf die größten Autogegner bonzig wirkt - und vor allem einer, mit dem man wunderbar über frisch gemähte Wiesen und enge Waldwege pflügen kann: Der Suzuki Samurei könnte noch viel größere Geländeaufgaben stemmen, aber das will man ihm nicht antun, so frisch gewaschen wie er ist, vor allem aber so selten und erhaltenswert.

Suzuki hatte eingeladen, und der Kollege, der abschätzend von "automobiler Basisware" sprach, war froh, nicht mitzukommen. Anlass: Seit 35 Jahren ist die Marke in Deutschland aktiv. Im Herbst 1979 hatten die Japaner auf der IAA im anspruchsvollsten Autoland der Welt ihr erstes Modell vorgestellt und einige Monate später ihre Zentrale in Unterschleißheim bezogen. Heute sitzt man im hessischen Bensheim, baut gar nicht so verkehrte Autos, hat aber Defizite in Sachen Image. Ist Suzuki nun eigentlich ein Kleinwagenspezialist, eine Allradmarke oder doch nur der "Way of Life"-Sponsor unmöglicher TV-Formate? So ganz klar ist das nicht, und es hat nicht nur zu tun mit so belanglosen bis peinlichen Typen wie Baleno, Liana oder Ignis, die man nicht unbedingt kennen muss: So etwas gibt es schließlich anderswo auch.
Vom LJ über SJ zum Jimny
Der sogenannte LJ, Eliot genannt, mit dem damals alles anfing, ist dagegen ein sehr feines Ding auf Rädern - heutzutage womöglich noch mehr als seinerzeit. Der blaue LJ80 jedenfalls, den Suzuki bereitstellt, ist fraglos ein Schmuckstück von Auto und fährt überdies durchaus annehmlich, wenn man rechtzeitig merkt, dass ein Bremskraftverstärker nicht immer selbstverständlich ist. Ihm, der nicht einmal im Besitz des Autobauers ist und dessen Frontscheibe man nicht mehr abklappen darf, will man Gelände nicht mal ansatzweise antun - aber er macht auch auf der Straße jede Menge Laune. So unbeschwert bist Du lange nicht mehr Auto gefahren, denkst Du, fühlst Dich mindestens zehn Jahre jünger und merkst, den Oldtimer-Horizont mal erweitern zu sollen.

Der Samurei als Nachfolger im weiteren Sinne ist etwas weniger originell und wirkt trotz oder gerade wegen des jüngeren Alters etwas primitiver, ist aber ebenso ein Auto, mit dem man viel Spaß haben kann, wenn man es nicht als Alltagswagen nutzt. Man müsste noch einmal wirklich jung sein, ein fröhliches Mädel einladen und mit dem Ding zu einem Open-Air-Konzert und anschließend ans Seeufer fahren. Heute geht es alleine über einsame Landstraßen durch den beschaulichen Main-Kinzig-Kreis in Hessen, was trotz (oder wegen?) des ganzen Lärms und der vielen frischen Luft Entspannung bedeutet - bis der vierachsige Mercedes Arocs im Rückspiegel bedrohlich größer wird und man schnell einen verträumten Feldweg für die Pause aussucht.

So wie auf den Eljot die SJ-Modelle folgten, wurden diese später vom Jimny abgelöst. Auch er, 1998 zu Preisen ab 21.900 Mark (Mark!) eingeführt, ist ein spezielles Auto, das heute vor allem Förster und Jäger bestellen. Der Jimny fährt wie ein halbwegs modernes Fahrzeug, wenn man darauf verzichtet, im 4x4-Modus ohne Schlupf, sprich: auf Asphalt, wenden zu wollen, was der Verspannungen im Antriebsstrang wegen kaum mehr als ansatzweise möglich ist. Er hat Airbags und ABS, einen auch bei der Fahrt zuschaltbaren Allradantrieb, ist aber auch viel langweiliger. Kurzum: Hat das Mädel ein bisschen Gefühl für den "Way of Life", würde sie beim Jimny die Nase rümpfen, zumal bei der heute nur noch angebotenen geschlossenen Version.
Roadster mit Seltenheitswert
Eine Alternative wäre vielleicht noch der Cappucino. Die Rede ist nicht vom "Way of Life"-Getränk, sondern tatsächlich von einem Auto - der Opel Mokka ist nicht der erste mit dieser Art der Namensgebung. Den Cappuccino auf Rädern hat der Autor morgens schon auf der Anreise bemerkt - als Auto, das er spontan nicht zuordnen konnte, und das kommt in diesem Beruf eher nicht so oft vor. Der freundliche Suzuki-Mann klärt auf: Gerade einmal 120 Cappucino kamen einst nach Deutschland, allesamt rechtsgelenkt und so klein, wie es japanische Autos der Key-Car-Klasse von Gesetz wegen sein müssen. Dem ist auch der Antrieb mit seinen 64 PS geschuldet, die turbobefeuert aus gerade einmal 660 ccm Hubraum kommen und damit eine beeindruckende Literleistung ergeben.

Sportlichkeit erzeugt der Cappuccino also nicht nur die Leistung, sondern durch das Hochdrehzahlkonzept. Der Drehzahlmesser reicht bis 12.000 Touren, und die Nadel schwingt sich tatsächlich bis auf fast 11.000 hoch. Der Sound bleibt dabei leider unspektakulär, vermittelt aber auch nicht das Gefühl, das Motörchen würde sich gleich in seine Einzelteile zerlegen. Auch die übrigen Insignien versprechen Fahrspaß: Heckantrieb, ein manuell in mehreren Stufen zu öffnendes Dach, die 3,39 Meter kurze Karosserie sowie das geringe und fast gleichmäßig verteilte Gewicht von 725 Kilogramm verfehlen ihre Wirkung nicht. Wer einen Mazda MX-5 als puristisch und sportlich empfindet, sollte unbedingt versuchen, mal ein Date mit dem Cappuccino zu bekommen.
Vitara und Swift als wichtigste Modelle
35 Jahre Suzuki in Deutschland, das bedeutet heute vor allem zwei Modelle: Einerseits den Kleinwagen Swift, der früher wegen seines Preises und seiner Anspruchslosigkeit, inzwischen vor allem wegen seines gelungenen Designs gekauft wird. Auf einer kurzen Spritztour in der Sport-Variante verwirrt er ein bisschen, weil er einerseits so knackig auf der Straße klebt, wie man es nicht erwarten würde, andererseits trotz der 136 PS alles ist, nur nicht sportlich: Im Turbo-Zeitalter wirken kleine Saugmotoren wie zugeschnürt, jeder 105-PS-Golf agiler.

Andererseits ist es der neue Vitara, der - ein Beispiel fürs unglückliche Händchen der Marketing-Leute - nicht den Grand Vitara, der einst den Vitara beerbte, ablösen wird, sondern als eigenständiges Modell darunter positioniert ist. Entstanden ist eine Mischung aus Klein- und Kompakt-SUV, die damit die Präferenzen großer Käuferschichten recht genau treffen dürfte. Der neue Vitara ist ausschließlich als Fünftürer zu haben, obwohl er gerade einmal zehn Zentimeter länger ist als der Grand Vitara als Dreitürer. Der Schwerpunkt beim aktuellen Modell liegt nicht auf Geländetugenden, sondern wieder auf dem Way of Life.

Deswegen verkauft Suzuki den Vitara auch besonders gern in auffälligem Bicolor-Look. Optisch ist das Auto ordentlich gezeichnet, wenn auch nicht so fein oder cool, wie es möglich gewesen wäre. Der von uns gefahrene Diesel mit 120 PS hängt gut am Gas, klingt kernig, aber nicht aufdringlich und gab sich tatsächlich mit nur sechs Litern Verbrauch zufrieden - laut Bordcomputer, der so dämlich zu bedienen ist, dass man es kaum glauben mag. Ebenfalls überraschend zeigt sich das Navi: Nicht dass es perfekt wäre - wo sonst ist es das? -, aber es gefällt mit auffallend klarer Grafikdarstellung und ordentlicher Bedienung. Im Topmodell ist es, zusammen mit Panorama-Dach, Keyless Start, Rückfahrkamera, LED-Scheinwerfern und radargestütztem Notbremsassistenten sogar serienmäßig.

Radar und Voll-LED bei Suzuki? Warum nicht, es ist alles eine Frage der Positionierung und der Zulieferer - ob der Autobauer solche Dinge bewusst oder unbewusst nicht deutlicher kommuniziert, muss an dieser Stelle offen bleiben. Natürlich ist ein Vitara nicht ansatzweise so fein gemacht wie ein Tiguan, aber er zeigt sich auf der Ausfahrt als klapperfrei, gut verarbeitet und durchaus etwas Behaglichkeit verströmend. Der Tiguan als Marktführer ist ja auch nicht der echte Konkurrent, eher sind es die französischen, italienischen und japanischen Mitbewerber. Wer sein Auto selbst zahlen muss, sollte sich den Vitara durchaus mal anschauen: Das Basismodell gibt es für gerade einmal 18.000 Euro, der Top-Allrad-Diesel kostet offiziell etwa 10.000 mehr.
Mit zwei neuen Baureihen in die Zukunft
Von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft: Wie die bei Suzuki aussehen wird, wissen Auto-Fans schon so ungefähr durch die im Frühjahr in Genf gezeigten Studien, die beide Realität werden. Nummer 1 hört aktuell auf den kryptischen Namen "im-4" und ist ein superkompakter, auffällig gezeichneter Allradler im Jimny-Format, Nummer 2 alias "ik-2" ein fünftüriges Schrägheck-Modell mit mehrheitsfähigem Design, das die Marke ab 2016 zurück ins hartumkämpfte, aber auch große Kompaktsegement bringen wird.

Das sind nicht die schlechtesten Aussichten, und so ist abzusehen, dass die kleine Marke, die auch kleine Redaktionen einlädt, ihr aktuelles Wachstum wird fortsetzen können, wenn auch nicht auf dem außerordentlich hohen Niveau von 27 Prozent in den ersten fünf Monaten dieses Jahres. Das nächste Jubiläum nach dem 35. Geburtstag übrigens ist schon in Sichtweite: In rund einem halben Jahr wird in Deutschland der einmillionste Suzuki zugelassen. Die erste Million ist bekanntlich die schwerste.
text  Hanno S. Ritter
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